Geschichte
Seit Anbeginn der Zeit bildet Marokko eine Brücke zwischen Orient, Afrika und Europa. Ausgrabungsfunde und Felszeichnungen belegen, dass das Gebiet des heutigen Marokko bereits sehr früh besiedelt war. Über die ersten Berber, die sich im Atlasgebiet niederließen, ist wenig bekannt. Erste Indizien berberischer Besiedlung gehen zurück auf das 2. Jahrtausend vor Christus.
Ab dem 12. Jahrhundert vor Christus gründeten Phönizier an der gesamten nordafrikanischen Küste Handelsniederlassungen, die bekannteste unter ihnen Karthago, im heutigen Tunesien. Im Landessinnern bildete sich im 4. Jahrhundert das Königreich Mauretanien, das durch einen Zusammenschluss mehrerer Berberstämme entstand. Nach der Zerstörung Karthagos durch die Römer im Jahre 146 v. gewannen die phönizischen Handelsniederlassungen, wie auch das Königreich Mauretanien an römischem Einfluss.
Im Jahre 33 v. Chr. geriet das Gebiet des heutigen Marokko unter römisches Protektorat und im Jahre 42 n. Chr. wurden dann zwei römische Provinzen gegründet: Mauretania Tingitana mit der Hauptstadt Tingis, dem heutigen Tanger und Mauretania Caesariensis mit der Hauptstadt Caesarea, dem heutigen Cherchell in Algerien. Um sich gegen Angriffe der im Gebirge und in den Bergen wohnhaften Berber zu schützen, erbauten die Römer im Süden einen Schutzwall.
Mittelalter
Im Jahre 429 fielen die Vandalen in Nordafrika ein, konnten sich jedoch nur bis 47 in Tanger und Ceuta behaupten. Oströmische Truppen stießen darauf bis zur Straße von Gibraltar vor, beschränkten aber ihre Herrschaft auf die beiden Hauptstädte ihrer Provinzen.
Um 700 unterwarfen die Araber bei ihren Vorstößen nach Westen das Gebiet des heutigen Marokkos und begannen mit der Islamisierung des Landes. Die unterworfene Bevölkerung benannten sie nach dem arabischen Wort für Westen oder Sonnenuntergang „Maghreb“; Al-Maghrib ist heute der offizielle Name Marokkos. Lange Zeit gelang es den Arabern nicht, den Widerstand der berberischen Bevölkerung zu brechen. Um 750 kam es zu zahlreichen Berberaufständen gegen die Herrschaft der Kalifen. Mulay Idris begründete 789 die Dynastie der Idrisiden mit der Hauptstadt Fes und machte Marokko somit zum islamischen Zentrum Nordafrikas.
Mit der Herrschaft der Almoraviden (1062 bis 1147), wechselte die Hauptstadt von Fez nach Marrakesch. Ursprünglich aus einer Berber-Sekte hervorgegangen, machten die Almoraviden Marokko zum Herzstück eines Reiches, das sich von Sizilien im Osten über das Atlasgebirge bis weit nach Spanien hinein erstreckte.
1420 ergriffen die Wattasiden die Macht, gerieten aber zunehmend unter Druck europäischer Mächte. Dieser gipfelte 1492 in der Rückeroberung Spaniens durch die Christen (Reconquista), die durch die Einnahme Granadas endete.
Neuzeit
Bereits kurz nach Abschluss der Reconquista hatten die Spanier die Städte Ifni und Melilla besetzt. Um 1520 kontrollierte Portugal alle wichtigen Atlantikhäfen des Landes. Ab dem 16. Jahrhundert hatten Spanier und Portugiesen begonnen, an der marokkanischen Küste Stützpunkte anzulegen. Im 16. und 17. Jahrhundert entwickelten sich unter der Dynastie der Saadier Handelsbeziehungen zu europäischen Staaten.
Um 1669 ergriff mit den Alawiden die Dynastie die Macht, welche bis heute herrschen sollte. Sie befreiten die meisten von Spanien und Portugal besetzten Küstenstädte. Marokko war das erste Land, das die jungen USA im Jahre 1777 offiziell anerkannten. Die „Moroccan-America Treaty of Friendship“ von 1783, die von den späteren US-Präsidenten John Adams und Thomas Jefferson unterschrieben wurde, ist der längste ungebrochene Freundschaftsvertrag der USA mit einem anderen Staat.
Nachdem die Franzosen 1830 Algerien eroberten, versuchten sie auch ihr Einfluss auf Marokko weiter auszudehnen. 1843/44 unterwarfen sie schließlich Marokko worauf das Land zunehmend zum Zankapfel der konkurrierenden europäischen Mächte wurde.
Das Deutsche Reich versuchte Anfang des 20. Jahrhunderts den Einfluss der Franzosen zu brechen und seine eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Kaiser Wilhelm II stattete dem Sultan von Tanger einen demonstrativen Besuch ab. Dennoch konnte das deutsche Reich seinen Ansprüche auf Marokko nicht geltend machen und musste es 1911 als französisches Einflussgebiet anerkennen. Nur ein Jahr später wurde das Land in ein französisches und ein spanisches Protektorat aufgeteilt. Formal blieb aber der Sultan Herrscher von Marokko.
Nach dem Ersten Weltkrieg kam es zu diversen Aufständen der Berber gegen die Besatzungsmächte. Unter der Führung von Abd al-Karim brach 1921 in der spanischen Zone der Aufstand der Rif-Kabylen aus. Der Aufstand erfasste auch die französische Protektoratszone. Erst 1926 gelang es Frankreich und Spanien gemeinsam, den Aufstand niederzuschlagen. Unter Sultan Mohammed V, der im zweiten Weltkrieg Frankreich unterstütze, konnte die arabisch-nationalistische Unabhängigkeitsbewegung an Einfluss gewinnen. 1944 wurde deshalb die „Partei der Unabhängigkeit“, Al-hizb al-istiqlal gegründet.
Aufgrund der wachsenden Unabhängigkeitsbestrebungen kam es Anfang der 50er Jahre zu wachsenden Spannungen zwischen dem Sultan und der französischen Protektoratsverwaltung. Die Franzosen verbannten Sultan Mohammed V deshalb nach Madagaskar und ersetzen ihn durch seinen Onkel Muhammed Mulay-ibn-Arafah. Daraufhin wurde das Land von einer Welle nationaler Empörung gegen die Protektioratsmächte erfasst. Dies führte dazu, dass Spanien und Frankreich ihre Herrschaft nicht mehr aufrechterhalten konnten: Muhammad konnte nach Marokko zurückkehren.
1956 erlangte Marokko die volle Unabhängigkeit von Frankreich und Spanien, wobei vier Enklaven aber in spanischem Besitz blieben. Muhammad V nahm 1957 den Königstitel an, auf seinen Tod folgte ihm sein Sohn Hassan II. Dieser verfolgte anfänglich einen stark europaorientierten Kurs, und nahm deshalb in der arabischen Welt eine wichtige Vermittlerrolle ein. Indem er aber das Parlament auflöste und politische Gegner verfolgen ließ, schaffte er sich innenpolitisch viele Feinde. In den Jahren 1971 und 1983 scheiterten Putschversuche, welche die Gründung einer Republik zum Ziel hatten.
1976 entließ Spanien seine Provinz Spanisch-Sahara (Westsahara) in die Unabhängigkeit. Marokko und Mauretanien teilten das Land darauf unter sich auf. Die Frente Polisario (Volksbefreiungsbewegung der Westsahara) erhob Anspruch auf die Unabhängigkeit des Gebietes und riefen die „Demokratische Arabische Republik Sahara“ aus. Es folgten Kampfhandlungen zwischen der marokkanischen Armee und Einheiten der Frente Polisario, sowie Truppenteile der algerischen Armee, welche die Polisario unterstützten. Marokko besetzte daraufhin das gesamte Territorium der Westsahara. Seither tobt in der Region ein blutiger Krieg, der Marokko zunehmend isolierte. Im August 1988 stimmte Marokko wie auch die Polisario dem Westsahara-Plan den Vereinigten Nationen zu. Dieser sah einen Waffenstillstand, sowie die Durchführung einer Volksabstimmung über das künftige Schicksal des okkupierten Territoriums vor.
Der Waffenstillstand wurde 1991 vereinbart. Die Volksabstimmung wurde aber bis zum heutigen Tag nicht durchgeführt, da beide Seiten keine Einigung über die genaue Zahl der Stimmberechtigten erzielen konnten. Unterdessen betreibt Marokko eine umfassende Besiedlungspolitik in der Westsahara. Ein Großteil der Bevölkerung von Westsahara lebt inzwischen in Flüchtlingslagern in Algerien.
Heutige Situation
Aktuell gibt es noch immer ungelöste Territorialstreitigkeiten mit Spanien über die Exklaven Ceuta und Melilla sowie über die küstennahen Inseln Isla-Perejil, Chafarinas, Alhucemas und Vélez-de-la-Gomera. Die Souveränität Spaniens über diese Gebiete wird von Marokko nicht anerkannt. 2002 eskalierte der Streit, als ein kleines Kontingent marokkanischer Truppen die Isla Perejil besetzte. Diese wurde von einem spanischen Armeekommando auf unblutige Weise wieder vertrieben. Der Streit wurde diplomatisch durch die Vermittlung der USA und der EU entschärft. Ungeachtet von diesem Zwischenfall ist die Zusammenarbeit der spanischen und der marokkanischen Behörden sehr gut. Noch besser sind die Beziehungen Marokkos zu den USA. Diese ernannten Marokko im Juni 2004 zu einem Hauptverbündeten ausserhalb der NATO.
Im April 2004 setzte König Mohammed VI eine unabhängige Kommission für Gleichheit und Versöhnung ein. Diese hatte das Ziel, die Menschenrechtsverletzungen seines Vaters Hassan II aufzuarbeiten.
Ab Dezember 2004 fanden öffentliche Anhörungen ehemaliger Gefangener statt, die auch im Radio und Fernsehen übertragen wurden. Um die Idee der nationalen Versöhnung nicht zu schädigen, wurden die Beschuldigten nicht beim Namen genannt. Hauptziel ist nicht die strafrechtliche Verfolgung der Täter, sondern die moralische Wiedergutmachung für die Opfer und ihre Familien. Die Lage der Menschenrechte bot dennoch Anlass zur Kritik. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ erhob zur selben Zeit schwere Vorwürfe gegen die Regierung wegen der Inhaftierung und Folterung von Journalisten.